Als ich erkannte, dass der
Katholizismus, in den ich hinein geboren worden war und den ich in
den Internatsjahren kennengelernt hatte, mich nicht zur Lösung der
Fragen nach dem Woher und Wohin und zur Anschauung Gottes führen
konnte, wandte ich mich den Philosophen und Weisen zu von der Antike
bis zur Neuzeit. Was ich suchte, fand ich bei den christlichen
Mystikern des Mittelalters und den Religionen des Ostens. Der Glaube,
dass wir wiederholt auf Erden weilen und dass die Seele eins mit dem
Unendlichen ist, waren einleuchtend für mich. Doch dieses Einssein
zu verstehen und es zu
erreichen, sind verschiedene Dinge.
Es brauchte viele Jahre, bis ich
meinen Weg zu diesem Ziel fand. Über meine Erfahrungen auf der Suche
werde ich noch schreiben. In den Tempeln von Hindus und Christen,
Buddhisten und Sikhs betete ich, zu verschiedenen Göttern betete ich
und zu gar keinem. Viele weise und verehrte Menschen traf ich, in
vielen Klöstern weilte ich. Meditation und andere Künste lernte
ich. In mir entstand die Überzeugung, dass der Weg nicht in der
Unterordnung unter einen Meister, einen Yogi, einen Menschen oder
einen Kult, nicht in Atem-, Sitz- oder Körperübungen oder innerhalb
einer Religion, schon gar nicht innerhalb einer monotheistischen
Religion bestehen konnte. Jeder vorgefasste Glaubenssatz steht der
Wahrheit im Wege, da stimme ich Jiddu Krishnamurti zu.
Der Weg, den ich für mich fand,
ist ein sehr einfacher Weg. Jeder Mensch kann ihn gehen, weder
Schulbildung noch freie Zeit ist notwendig. Ja, er kann zu jeder Zeit
beschritten werden, sogar in der Nacht und mitten bei der Arbeit oder
während einer Unterhaltung. Die einzige Voraussetzung ist vielleicht
die Bereitschaft, altes Denken aufzugeben und sich auf neue
Bewusstseinszustände einzulassen. Der Weg verlangt sonst keine
Opfer, Überwindung oder Verrenkung. Er führt geradlinig und fast
mühelos an und über die Begrenzung des menschlichen Bewusstseins,
an die Grenzen von Zeit, Materie und Vielheit. Es ist gleichgültig,
ob man zur Erleuchtung, zur Anschauung Gottes, zur höchsten Wahrheit
oder einfach raus aus der Matrix gelangen will. Jeder bestimmt seine
Gangart und das Tempo selbst und jeder kann eigene Erfahrungen
machen. Auch wenn viele Menschen diesen Weg gehen, so macht es keinen
Sinn, eine Gemeinschaft zu bilden oder dem Weg einen Namen zu geben,
doch können sie sich über ihre Erfahrungen austauschen und Hilfen
geben. Die Elite wird diesen Weg fürchten, denn er macht frei.
Vielleicht hat der Weg eine
Verbindung zum urchristlichen, wie zum taoistischen und
buddhistischen Weg. Man könnte viel hinein deuten und viel darüber
schreiben, obwohl er in wenigen Worten erklärt ist. Meine Eindrücke
und Erfahrungen werde ich noch schildern.
Es geht bei diesem Weg nur um
zwei Dinge, zwei Begriffe: Liebe und Reinheit. Liebe und Reinheit
beschreiben sowohl das Ziel als auch den Weg selbst. Gott oder das
höchste vorstellbare Bewusstsein ist absolute
Liebe und absolute Reinheit. In
der absoluten Liebe gibt es keinen Unterschied zwischen liebendem
Subjekt und geliebtem Objekt, da ist Einheit. Es besteht keine
Begrenzung, keine Befleckung, also absolute Reinheit. Der Weg besteht
darin, alles wegzulassen, was nicht Liebe und Reinheit ist, und zu
immer größerer Liebe und Reinheit zu gelangen. Liebe bedeutet hier
nicht nur Zuneigung zu Menschen, sondern ein freudiges Öffnen für
jeden und alles, ein Sich-Verlassen und -Verlieren. Reinheit übt
eine Kontrollfunktion aus und lässt das wahre Selbst empor wachsen.
Wie das nun alles zu verstehen
und anzuwenden ist, werde ich im Weiteren beschreiben.